Freitag, 9. September 2016

Dance with Babies - ein sehr türkisches Erlebnis

Manchmal, wenn ich mit meinen Töchtern am Wohnzimmerboden sitze, dann wünsche ich mir in Deutschland zu leben. In dem Land der vielen Angebote. Anstatt mich von zwei Krabbelmäusen anblubbern zu lassen, könnte ich meine Babys einpacken und zum Babyschwimmen fahren, oder zum PEKIP, oder zur Babymassage, oder zum Kanga-Training, oder...

Doch hier gibt es solche Angebote so gut wie nicht. Umso schöner, wenn doch mal etwas stattfindet. Seit zwei Wochen habe ich mich auf diesen Vormittag gefreut. Joiemove - Dance with Babies! Mit dem Baby in der Trage gemeinsam mit anderen Müttern tanzen, sanft im Rhythmus der Musik wiegen, sich ein bisschen bewegen, mit dem Baby kuscheln und danach noch nett nen Tee mit den anderen Müttern trinken und ein paar neue Leute kennenlernen. So in etwa meine Vorstellungen.

Natürlich ist solch eine Veranstaltung für eine Zwillingsmutter von besonderer Herausforderung. Gut organisiert wie ich bin, habe ich sowohl mit der Tanzlehrerin vorher abgesprochen, dass sie eines meiner Babys in die Trage nehmen könnte, wie auch ein Reisebett dabei gehabt, da es ja eigentlich eh zur Mittagsschlafzeit war. So könnte ein Spatz im Reisebett schlafen und der andere auf meinem Rücken bei den sanften Tanzrhythmen. Alles bestens, es konnte losgehen.

Zwillingstypisch habe ich wieder später als geplant das Haus verlassen und kam schon auf dem Weg ins Schwitzen. Wozu wollte ich jetzt tanzen? Den Sport hatte ich schon unterwegs.
Deutschtypisch habe ich wieder gedacht, ich müsste etwas vor der angegebenen Uhrzeit erscheinen, um noch genug Zeit zu haben mich und meine Kinder zu sortieren. Klar war ich, leicht zu spät, dennoch eine der ersten und hatte gar nicht so viel zu sortieren wie noch Zeit war, bis es endlich losging.

Zu meinem Erschrecken waren in dem Mutter-Kind-Cafe, in dem das ganze stattfand, neben Tanz- und Babytragewilligen Müttern auch noch drei Teyzes (Teyze = türkisch für Tante, die, die immer für einen Ratschlag gut und für Feingefühl schlecht sind) anwesend. Nachdem die Teyzes kommentiert hatten, dass es ja viel besser ist, das Kind auf dem Rücken zu tragen, man das ja früher auch so gemacht hätte, aber vorsicht, mein Kind fällt sicher gleich raus, bekommt es überhaupt Luft, ... konnte ich immerhin mein Kinderwagenbaby kurz bei einer Teyze zwischenparken, die aufjedenfall sehr gut darin war die Robbe zum Lachen zu bringen. Die Krabbe war eh schon auf dem Weg auf meinem Rücken eingeschlafen und so konnte ich in Ruhe das Reisebett für die Robbe aufbauen und mit ner Hand voll Schnuller ausgestattet das Kind zum Schlafen legen.

Nur hatte ich meine Rechnung ohne die Teyzes gemacht. Da die Robbe nicht sofort einschlief, und ein Baby ja eigentlich sowieso nie von alleine einschlafen kann, hat sich eine Teyze vor dem Bett positioniert und mit Lauten Klatschen und Rufen versucht, die Robbe zum Einschlafen zu bringen.
Da musste ich das erste Mal die Zähne zusammenbeißen und ein Modul extra Liebe laden, um diese Situation zu entschärfen. Doch zum Glück ging es irgendwann wirklich los und die Aufmerksamkeit ging weg von meiner Robbe hin zum Tanz.

Wir waren sieben Mütter, davon fünf mit Tragekindern und zwei mit Laufkindern, dazu noch ein paar mehr Laufkinder, die ich nicht zuordnen konnte. Von den Tragekindern waren meine die ältesten.
Los ging es mit Macarena, auf ordentlicher Lautstärke und mit ordentlich Schwung. Ja, die Türken wissen zu tanzen! Und zwischendrin ich arme Deutsche, doch ja, ein Macarena krieg ich ja wohl auch noch hin! Weiter ging es mit mehr Hüftschwung (=mehr Herausforderung für die Deutsche), mehr Lautstärke und schnelleren Liedern. Nach jedem Lied war natürlich lautes Jubeln und Applaus angesagt. Mein Rückenspatz war inzwischen wieder wach und mein Bettspatz noch wach. Wenn ich mich umsah, blickte ich in lachende Mütteraugen und gestresste Babyaugen. Die armen Minis haben alle irgendwie versucht sich in ihren Tragen zu verkriechen. Zwei schlaue Kleine haben Hunger angemeldet und konnten somit immerhin zum Stillen der Situation entkommen. Die Laufkinder hatten Spaß, für die war das genau das Richtige und ja, es war schön den 4-jährigen beim ”Tanzen” zuzusehen.


Die nächste halbe Stunde kann ich abkürzen. Es blieb laut und wild, die Bewegungen fand ich mit Baby an mir nicht unbedingt geeignet, und irgendwann, als mein Rückenspatz zu quengeln anfing, wurde es mir echt zu blöd.
So hab ich meine Kinder geschnappt und mich in einem anderen Raum verschanzt und gewartet bis es vorbei ist.

Schon da war ich gefrustet.
Als die Musik leiser wurde hab ich mich aus meinem Versteck rausgetraut. All das natürlich immer irgendwie mit zwei Kindern auf dem Arm. Entspannt ist was anderes. Die Frauen saßen draußen im Vorgarten bei Tee und Keksen und trotz Frust wollte ich nochmal den Versuch starten mich als sozialer Mensch zu verhalten und gesellte mich dazu. Meine Spatzen ließ ich krabbeln und da der Vorgarten mit Kunstteppich-Rasen ausgelegt war, stellte sich immerhin die Dreckfrage nicht. Welche Frage leider auch nicht gestellt wurde, war die, ob ich auch etwas trinken wollte - der Rest war schon in Gespräche vertieft. Und so habe ich frustrierende 15 Minuten damit verbracht meinen Krabbelkindern hinterher zu sein und zwischendrin zu versuchen auch mal ein Gespräch zu führen. Doch schließlich habe ich eingesehen, dass das keinen weiteren Sinn macht und habe den Rückweg angetreten.

Die Deutsche in mir hätte natürlich gerne noch ein Feedback über die Veranstaltung gegeben, doch mehr als ”meine Kinder sind nicht an laute Musik gewöhnt” habe ich nicht rüberbringen können. Alles in allem eine traurige Veranstaltung für mich. Wo ist nur Deutschland mit seinen PEKIP-Kursen?!?

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