Montag, 2. März 2015

Und plötzlich kam der Plural

Schwangerschaft ist ein Singular-Ereignis. Zwar kann man mehrmals schwanger sein, aber eben schön der Reihe nach und nacheinander. Auch diese Schwangerschaft hat ganz normal im Singular angefangen.

Da war der positive Schwangerschaftstest: Wir bekommen ein Baby! Die vielen Apps und Bücher, die beschreiben, wie das Baby wann wie wächst. Die Folsäure, die ich nehme, weil mein Baby die braucht. Und natürlich die Freunde, die nachfragen, wie es denn dem Baby im Bauch so geht.

Unseren ersten Arzttermin hatten wir wieder etwas überstürzt. Die ganze Nacht über hatte ich Bauchschmerzen, konnte nicht schlafen und der Gedanke einer Eileiterschwangerschaft nahm mir dann das letzte bisschen Ruhe. Was bringt es mir wenn es meinem Baby gut geht, es aber im Eileiter wächst? Werde ich ein an sich gesundes Kind abtreiben müssen, weil es an der falschen Stelle ist?
Wir haben für unser Baby gebetet - aber haben wir auch um seinen Nistplatz gebetet?

So sind wir also zum Frauenarzt. Anfang 7. Woche.
Beim Warten noch kreisten meine Gedanken um die mögliche Eileiterschwangerschaft, die Operation, die ich brauchen würde und vor allem um den Gedanken schon wieder ein Kind zu verlieren.

Die Ärztin war super, kaum hatte ich gesagt, dass ich schwanger bin, waren wir auch schon auf dem Weg zum Ultraschall. Reden kann man ja später, jetzt wollte ich erstmal wissen ob es meinem Baby gut geht und wo es denn nistet.

Der schwarze Bildschirm, das graue Grisseln - von meiner ersten Schwangerschaft wusste ich ja schon, wonach wir zu suchen hatten. Die Fruchtblase, ein schwarzes Oval im grauen Grisseln, und am besten schon mit Baby mit Herzschlag gefüllt.
Und ja, da war ein schwarzes Oval, nein doch nicht, eher dort, oder doch hier? Moment mal, sind das zwei?
Und da sagte es auch die Ärztin, ”ich sehe zwei”. Tatsache, zwei schwarze Ovale. Und nach ein bisschen suchen waren auch die Babys zu sehen. Das im unteren schwarzen Oval recht deutlich, Herzschlag auch da, alles gut. Und das im oberen schwarzen Oval dann auch, und auch hier schlug das Herzchen. Wirklich alles gut.
Es sind zwei.

Der Plural hat Einzug genommen.

Seit diesem Moment habe ich ein Sprachproblem. Es ging schon bei der Ärztin los. Sie klärte uns über Downsyndromtests auf und was sag ich? ”Das brauchen wir nicht, wir wollen diese Babys, egal was kommt!” War ja von der Grammatik schonmal echt richtig, doch der Satz klang komisch - bisher war der in meinem Kopf nur im Singular vorhanden.

Und seit da geht es so weiter. Freunde fragen mich nach meinem Baby - und ich frag zurück welches sie jetzt meinen. Die Apps und Bücher sprechen immer noch vom Singularkind - und ich komme mir nicht verstanden vor.
Mein Mann sagt nicht mehr ”Ich liebe dich, und dich” sondern ”Ich liebe dich, und dich, und dich” - und ich muss grinsen.
Ich kann ihm nicht mehr schreiben: ”Bin gut angekommen, mir und Baby gehts gut” - und ringe nach Formulierungen mit denen ich klar komme.
Ich überlege wann und wie ich es wem sage, jetzt reicht der Satz ”ich bin schwanger” nicht mehr aus - und ich grüble wer eigentlich die Zusatzinformation schon haben soll.

Ich habe jetzt den Plural im Bauch. Ich bin nicht nur zusätzlich verantwortlich für ein Leben sondern für zwei. Wenn ich mit der U-Bahn fahre, fahren wir zu dritt auf einem Ticket. Wenn ich meinen Bauch streichle, kann ich nicht mehr ”Hallo Baby” sagen - und weiß nicht ob ich es zweimal sagen soll oder den Plural brauche.

Ich habe den Plural im Bauch.